"Fachgerechte" Kappung

Hier kann ein Austausch unter Baumpflegern und die es
werden wollen stattfinden.

"Fachgerechte" Kappung

Beitragvon Groschen » Sa 13. Aug 2011, 15:52

Moin,

ich finde das Thema Kappungen und deren Folgen passt ganz gut in diese Überschrift. Da ich gerne Bilder von meinen Baustellen mache, habe ich hier mal exemplarisch einen Fall von gekappten Ahorn und den Spätfolgen dieser Maßnahme eingestellt. Es war im Herbst letzten Jahres als ich auf einer Baustelle von einer Passantin angesprochen wurde. Sie mache sich Sorgen um den Habitus ihrer beiden Ahorn und ob ich mir das mal anschauen könnte. Also Termin gemacht und schon beim Vorbeigehen war fast klar, was die Probleme verursacht hat. Zwei Ahorn,geschätzt 80 Jahre, bei denen die Krone in keinem Verhältnis zum Stamm stand.

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Als die Kundin dann auf die zwei besagten Bäume zeigte meinte sie, dass die Ahorn irgendwie krank wirken, denn seit 2 Jahren würden immer mehr Teile der "Krone" keine Blattmasse mehr entwickeln und ob man sie jetzt nicht noch irgendwie beschneiden könnte, damit sie sich wieder erholen.
Auf meine Aussage, dass diese Bäume vor ca. 15 Jahren gekappt worden sind, bestätigte sie dies und meinte es könne auch schon 20 Jahre her sein. Ihr Vater hätte dies damals bei einem Fachbetrieb in Auftrag gegeben und seitdem wäre an den Bäumen auch nichts mehr gemacht worden.

Massive Entwicklung von "Ständern", also recht geraden Neuaustrieben unterhalb der Schnittstellen. Leider haben diese Schnittstellen Pilz sowie Fäulnis Tür und Tor geöffnet und die an sich schon verminderte Standfestigkeit der Ständer weiter minimiert. Ich habe nur exemplarisch ein paar Details fotografiert, obwohl eigentlich der gesamte Baum so aussah. Fäulnis und Risse soweit das Auge reichte.

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Mehr als faustgroßes Loch in einem der verbliebenen Hauptäste, wobei die Fäulnis schon senkrecht in den Ast geht.

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Bei Baum 2 war dann gleich die Fäulnis einer der gekappten Stummel bis in den Hauptstamm erfolgt. Ansonsten ein ähnliches Bild wie bei dem ersten Baum.

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Ich habe mich noch lange mit der Kundin unterhalten, ihr all die Folgen der Kappung erklärt und auch mitgeteilt, dass ich eigentlich kein Freund von unnötigen Fällungen bin, dies aber hier als einzige Möglichkeit, auch im Sinne der Verkehrssicherungspflicht, sehen würde. Sie war ziemlich erschüttert, hätte sich aber insgeheim so etwas schon gedacht.

Ich bot ihr an, sich noch eine zweite Meinung einzuholen und habe ihr zum Abschluss noch einen passenden Flyer überreicht.
Da die Kundin es nicht wünschte weitreichende und wiederkehrende Pflegekosten zu bezahlen, sind wir so verblieben, dass die beiden Ahorn dann im Winter gefällt werden sollten.

Das hier dann der Blick in den Stamm von Baum 2, nachdem er am Boden lag. Der Stamm war bis kurz über den Fällschnitt bereits faulig und bot keine stabile Holzstruktur mehr. Der Stamm war quasi durch die offenen Schnittstellen der Kappungen von ober her vollgelaufen.

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Baum 1 sah, wie schon vermutet nicht ganz so dramatisch aus, aber auch hier hatte sich die Fäulnis bereits ihren Weg durch den Stamm gesucht.

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Fazit, eine Kappung ist keine baumpflegerische sondern eine baumzerstörende Maßnahme und schade war es in diesem Fall um zwei schöne alte Bäume.

Gruß Marc
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Re: "Fachgerechte" Kappung

Beitragvon Franz » Sa 13. Aug 2011, 16:20

Bedanke mich für die Bilder,sehr gut.
Meiner Meinung nach wurde diese Sparte im Forum,etwas vernachlässigt.
Jetzt kommt Bewegung rein,was auch gut ist,denn die meisten Kollegen sind in erster Linie Baumpfleger.
Das Fräsen ist eine Folgearbeit.
Ich selber bin im Fachverband geprüfter Baumpfleger organisiert,und dort wird das Thema Kappung intensiv dikutiert.
Die Bilder sagen eigentlich alles über Kappungen.
Da dieses ein öffentliches Forum ist,erreichen wir auch unsere Mitbürger,die sich hier informieren können.

Sehr gut,weiter so !
Um etwas zu verändern brauchen wir mehr Bessermacher und weniger Besserwisser.
Gruß
Franz
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Re: "Fachgerechte" Kappung

Beitragvon Groschen » So 14. Aug 2011, 12:33

Moin,

ich kann mir gut vorstellen, dass das Thema Kappungen sehr intensiv und auch kontrovers diskutiert wird, wobei es für mich eigentlich keine vernünftige Erklärung für diese Maßnahme gibt.

Ich habe mit Absicht die Verlinkung zu dem Flyer im obigen Beitrag mit eingeführt, denn der sagt eigentlich alles aus.
Auch wenn ein gekappter Baum mit pflegerischen Maßnahmen weiterbehandelt wird, durch das Kappen ist er über kurz oder lang zum Sterben verurteilt worden.

Es ist meiner Meinung nach die Unwissenheit der Baumbesitzer über die Folgen einer Kappung, als auch das Geschäftsgebaren mancher Gartenbaubetriebe ursächlich dafür verantwortlich, dass es immer wieder solche Bilder von Baumfrevel in unserer Umwelt gibt.

Hier im Ort gibt es beispielweise einen großen Gartenbaubetrieb mit mittlerweile rund 50 Mitarbeitern und einem Maschinenpark, der seinesgleichen sucht. Ich kenne den Besitzer persönlich und er meinte mal zu mir, er will alles an Leistungen anbieten, was es nur gibt.
Da wurde dann u.a. ein gartenpfortengeigneter 20m Hubsteiger auf Raupenfahrwerk angeschafft und diesen sieht man immer wieder in den Gärten stehen, wo dann "Pflegemaßnahmen" durchgeführt werden, die diesen Namen eigentlich nicht verdienen.
Aber gut, Maschine ist angeschafft worden und muss somit Geld verdienen. Dann noch ein unwissender Kunde, der sich auf den Rat eines Gartenbaubetriebes verlässt und das Unglück nimmt unter Umständen seinen Lauf.

Ich für mich habe bei solchen Kundenwünschen immer eine Bildermappe mit den hier gezeigten Bildern dabei und versuche dem Kunden in Verbindung mit dem Flyer diese radikale Maßnahme auszureden. Sollte er aber darauf bestehen, lehne ich generell ab, denn ich möchte nicht der sein, der mit Namen genannt wird, wenn man gleichzeitig mit dem Finger auf den verunstalteten Baum zeigt.

Gruß Marc
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Re: "Fachgerechte" Kappung

Beitragvon Franz » So 14. Aug 2011, 13:26

Ja es ist noch viel Aufklärungsbedarf erforderlich.
Ich stelle hier mal den Flyer vom Fachverband ein,Vorder- und Hinterseite.
Der Fachverband zählt mit 461 Mitgliedern zum größten in der Baumpflegeszene.

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Gruß
Franz
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